Mit lizenzierten Shapings und originalgetreuer Ausstattung präsentiert sich die limitierte Fender Squier FSR Affinity Stratocaster Black Tortoise
Man muss kein ausgewiesener Gitarrero sein, um sich überkurz oder lang der Faszination, die eine Strat seit einem Dreivierteljahrhundert ausstrahlt, zu entziehen. Neben einer Paula gehört eine ST wohl in jedem Haushalt, dessen Mitglieder unfallfrei das Wort "Stratocaster" schreiben können. Apropos Schreiben: ob als Hersteller "Fender" oder "Squier" drauf steht, ist erst einmal die Budgetfrage.
Als Amateur und ewiger "Wiederneueinsteiger" behaupte ich: Squier reicht, eine amerikanische Fender wäre allenfalls aus ästhetischen Gründen schön zu haben. Irgendwann mal. Ganz sicher. Bis dahin gesellt sich die Affinity als erste "normale" zu meinen beiden etwas "exotischen" Gitarren (Steinberger Spirit Deluxe und Ibanez SRC-6). Herzlich willkommen.
So! Genug geredet: dem "limited"-Ruf, offensichtlich auch im Niedrigpreisbereich ein Marketing-Argument, konnte ich diesmal nicht widerstehen.
So stand sie nun, meine erste (Squier) Strat, vorbildlich doppelt verpackt und gut geschützt, in meinem Arbeitszimmer. Draußen herrschten gerade einstellige Temperaturen, also erst einmal etwas "Aufwärmzeit" gönnen – dann aber aus aus der Karton-Materialschlacht. Der eigentliche Originalkarton ist wie eine Schublade gebaut – da hat sich jemand tatsächlich Gedanken gemacht.
Noch die ganzen Folien (auch von den Singecoils…) abziehen und wir sind fertig zum Abheben. Erst in an den Petersen-Strobo mit dem Kabel. ;-) Siehe da, natürlich will die Gitarre nun gestimmt werden, das geht aber fix und ohne Zwischenfälle. Da hat die QC-Abteilung im Store ordentlich gearbeitet! Ein Zertifikat der Qualitätskontrolle liegt übrigens unterschrieben bei.
Weiter geht's: Die Bünde enden, nun ja, bündig und (auch nach einigen Tagen in verschiedenen Raumtemperaturen) glatt – klar, es ist kein High-End, andererseits sind auch keine "einschneidenden" Erlebnisse zu befürchten. Das Vibrato *hört* man zwar direkt an der Gitarre arbeiten – im Amp kommt das Knirschen der Mechanik aber zum Glück doch nicht an, nix mit unfreiwilligem Federhall ;-) – immerhin.
Das alles kannte ich vor ca. 30 Jahren (meine ersten und für lange letzten Erfahrungen mit der Billigregion im Reich der Gitarren) noch ganz anders. Erstaunlich, was für ordentliche Qualität es für das Einstiegs-Geld mittlerweile gibt.
Natürlich gibt es – in dieser Preisklasse – das Eine oder Andere. So scheuerte bei meinem Exemplar die untere Poti-Kappe am Schlagbrett (nun, wozu hat man die ganzen Plektra? zum minimalen Anheben der Kappe, natürlich), die Kante des Hebelschalter-Schlitzes ist fransig (hier ist Dremel uns Polierscheibe das Zauberwort), ein paar Schrauben sollten auch mal vorsichtig nachgezogen werden. Ein Tropfen Zitronenöl auf den Griff schadet auch nicht und sorgt für olfaktorische Akzeptanz bei anderen Haushaltsmitgliedern. Doch was soll's. Eine halbe Stunde Arbeit und die Sache ist halbwegs erledigt.
In der ersten Tagen steht häufiges Nachstimmen / Ziehen auf dem Plan. Das haben aber wohl alle neuen Gitarren gemeinsam (ich hatte noch nicht so viele davon im Leben besessen). Eventuell würden hier Locking Tuners Abhilfe schaffen – mal sehen.
Erst mal aber freuen. Zu dem Klang will ich nicht so viel sagen, denn dieser ist erstens von Strato bekannt, zweitens immer sehr subjektiv. Ich bastle in Richtung Ambient, Electronica und Soundscape, deshalb ist hier meine Meinung zum Klang noch viel persönlicher. ;-) Auf meinen bestellten Amp warte ich seit Monaten, bis dahin geht die Affinity (wie seit langem meine beiden anderen Gitarren) direkt in den Pult-Recorder, ein paar Zauberkästen-Stationen auf dem Wege durchlaufend.
Ein Haushalt, zu dem bereits ein Haufen Synthesizer, Moogs, eine Steinberger und sogar ein Theremin gehören, kann auf Dauer nicht ohne eine Strat. Auch wenn keine wirklich begnadeten Gitarristen zum Haushalt gehören – ein Strat-Mangel ist mehr als nur ein Stilbruch. So kam das Angebot des Musicstores gerade recht.
Das wie üblich rasant gelieferte Instrument war gleich doppelt verpackt – die Originalverpackung dabei gut durchdacht, praktisch ausschließlich aus einfallsreich gefaltetem Karton, kinderleicht zu öffnen, da als eine Art Schublade gebaut. Bravo.
Dem Instrument ein bisschen Zeit gelassen, sich an die Raumtemperatur zu gewöhnen. Mittagspause im Homeoffice abgewartet… los ging's.
Die Gitarre war praktisch direkt aus der Verpackung spielbereit – sehen wir mal von all den an teils überraschenden Stellen angebrachten Schutzfolien ab, die es erst mal zu entfernen galt. Ohne jetzt ein großer Gitarrero zu sein kann ich nur sagen: absolut spielbar, sauber und ohne Schnarren ; die Intonation ist _fast_ völlig in Ordnung (Abweichungen zeigt der Petersen-Strobo-Tuner, zu hören sind sie nur, wenn man scharf reinhört).
Anfangs hält die Stimmung nur kurz und muss dauernd gezogen/nachgestimmt werden. Das ist extremer als mit anderen mir bekannten Gitarren, legt sich aber auch hier mit der Zeit.
Die Verarbeitung ist für die Preisklasse überraschend gut, Bünde glatt usw. Bei mir sass eine Potikappe tief/schief, kratzte am Schlagbrett. Nichts, das sich mit einem Plektrum in Sekundenschnelle nicht "be-heben" ließe. Sonst das Übliche: sichtbare Schrauben, wo es angebracht ist, nachgezogen, die Kabelbuchse dito, Zitronenöl als Aroma-Placebo aufs Griffbrett – mehr braucht eine Gitarre bei mir nicht. Was unter der Haube eventuell entgratet ist oder nicht, du meine Güte: erstens reden wir hier von der Einstiegsklasse; zweitens war Leo Fender ja kein Instrumentenbauer, sondern Elektrotechniker – das macht den Charme seiner Maschinen aus. Jedenfalls sitzt alles, was für das Spielen wichtig ist, dort, wo es soll. Erst mal kein Bedarf an einem fachmännischen Setup.
Nun ist es längst eine Binse, ich sag es trotzdem: wieviel Gutes es für 200 Euro mittlerweile gibt, erstaunt mich immer wieder. Ich hatte vor 30 Jahren schon mal eine formähnliche E-Gitarre in der 200-DM-Klasse. Es war eine umgelabelte DDR-Ware – was anderes gab es für das kleine Geld kaum. Diese Gitarre hatte mich für Jahrzehnte in der Überzeugung gefestigt, Gitarre sei kein Instrument für mich. Sie war eher ein Foltergerät als ein Instrument. Von dem, was später als "globale" Ware kam, schweigen wir lieber. Inzwischen ist die Qualität aus dem Fernost einfach erstaunlich gut.
That said: Es ist meine erste Strat und aktuell dritte E-Gitarre überhaupt, daher wäre jede Fachsimpelei an der Stelle Unfug. Eines hat es aber: jetzt weiß ich endlich, was so viele an einer Strato so schätzen. Sie spielt sich anders als die (an sich sehr amtliche) Steinberger Spirit – es fällt mir schwer zu sagen, woran das liegt, doch die Squier ermutigt den Wiedereinsteiger eher zum viel "Herummachen", während die Spirit eher zur Mäßigung ruft. Ob das die Form des Halses ist, die Breite des Griffbrettes oder noch was anderes? Auf jeden Fall ist es so. Es fällt schwer, sich mit der Gitarre in Ambient-Wolken zurückfallen zu lassen. Statt Hall über zwei Tape-Delays ist hier Crunch und Compressor angesagt. Arme Nachbarn.
Damit einhergehend: mit den drei Single Coils herumzuspielen macht wirklich Laune. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das so g*il finde. :-) An der Spirit mit H-S-H, aber auch an meiner Ibanez SRC-6 H-H mit aktivem EQ, hat die Umschalterei eine eher "erwachsene" Funktion, so moderat-modelierend-modulierend. An der Squier ist das Kippen des Schalters jedesmal einfach nur unartig. ;)
Alles in allem ein inspirierender Kauf.