Die Epiphone ES-175 ist eine Neuauflage der beliebten Archtop, welche viele Fans im Jazz-, Blues- und Rockbereich findet. Geboren in der Ära des Jazz und jungen Pop, war die ES-175 die erste Archtop mit einem spitzen Cutaway, auch "Florentine" genannt, das einen ungehinderten Zugang zu den hohen Lagen gestattet und der Gitarre ihr charakteristisches Erscheinungsbild verlieh.
Vor allem aber war die ES-175 damals wesentlich erschwinglicher als die bereits etablierte L-5. Als dann Ende der 50er Jahre die neu entwickelten Humbucker dazu kamen, war die 175er klanglich noch flexibler und ging endgültig in die Geschichte ein. Die Epiphone ES-175 Premium besitzt originale USA Gibson '57 Classic Humbucker, welche ein breites musikalisches Spektrum abdecken und dem PAF Humbucker der damaligen Zeit sehr nahe kommen. Sie überzeugen sowohl im cleanen als auch am sanft verzerrenden Verstärker mit ihrem luftig-transparenten Sound, der mit vokalen Mitten und süßlichen Höhen jedes Riff und Lick zum Leben erweckt.
Die Epiphone ES 175 kommt recht nobel, aber auch dezent daher. Es gibt schöne Einfassungen, aber man hat das nicht ausgereizt und auch der matte "Vintage-Lack" unterstreicht die zurückhaltende Note. So hat man keine Kopie des Gibson- Vorbilds vor sich, sondern eine eigenständige Interpretation der ES 175. Das finde ich sympathisch.
Für eine Gitarre dieser Größe ist das Instrument erstaunlich leicht und liegt durch den großen Korpus im Sitzen gut in der Hand. Auch das Griffbrett fühlt sich gut an. Es ist so breit, daß man Akkorde sauber greifen kann, aber noch so schmal, daß auch schnelles Solospiel möglich ist. Auch ein schneller Wechsel von Akkord- und Solo-Spiel, wie er für Jazz typisch ist, gelingt gut. Zusammen mit der Gibson-typischen kurzen Mensur ergibt sich ein sehr gut bespielbares Griffbrett. Mir gefällt das besser als die schmalen Griffbretter mancher Solid-Bodies.
Eine erste positive Überraschung war der kräftige akustische Klang. Die Epiphone ist auch ohne Verstärker erstaunlich laut, hat dabei einen eher hellen Klang. Ein ähnliches Modell eines anderen Herstellers hatte eine wesentlich massivere Decke aus dickerem Holz. Offenbar wollte man dort einen Schritt in Richtung Sustain-Block machen - mit der Konsequenz, daß das Instrument dann doch akustische sehr leise war. Die Epiphone-Auslegung gefällt mir persönlich sehr gut, man braucht zum Üben nicht immer Kabel und Verstärker herausholen, und hat trotzdem einen ordentlichen Klang.
Elektrisch betrieben findet man die Gibson-typische Ausstattung mit zwei Humbuckern, die getrennt regelbar sind, wobei man der Epiphone erfreulicherweise Original Gibson-Pickups spendiert hat. Es ergeben sich so klar strukturierte Klangmöglichkeiten. Man bekommt den satten und runden Jazz-Sound, für den ich die Gitarre gekauft habe, aber wenn man will auch knackige Höhen, so daß man sich auch einmal auf die Spuren von B.B.King begeben kann. Auch in hohen Lagen klingt die Gitarre kräftig, ohne daß man sich dafür besonders anstrengen müßte. Der elektrische Klang ist aber natürlich auch eine Frage des Verstärkers. Ich verwende einen älteren Roland Cube 60, der sehr gut mit der Epiphone harmoniert. Das war im Testraum nicht bei jedem Verstärker der Fall.
Die Verarbeitung des Holzwerks ist absolut einwandfrei und eine echte Augenweide. Auch die Pickups und die sonstige Hardware sehen gut aus und fühlen sich gut an. Die Montage der Elektrik war aber nicht so ganz gelungen. Die Buchse für den Klinkenstecker war locker, das Schlagbrett schnarrte kräftig bei einigen Akkorden und der Steg-Pickup wackelte stark in seinem Rahmen. Die Probleme wurden vom Music-Store-Service freundlich, schnell und kompetent gelöst, so daß ich jetzt rundum zufrieden bin. Man hat mir dort auch glaubwürdig versichert, daß derartige Probleme recht typisch für Archtop-Modelle sind. Dennoch finde ich, daß man bei den Herstellern hier in der Endkontrolle besser aufpassen müßte und könnte, was offenbar nicht nur für Epiphone gilt. Daher leichter Punktabzug bezüglich der Verarbeitung.
Vermutlich ist eine Gibson ES 175 noch besser, aber ich bin begeistert von der Epiphone und finde, daß man hier im besten Sinn eine ES 175 fürs Volk gebaut hat.